Science Fiction ist jetzt! Man hat es gespürt, seit einigen Jahren. Etwas hatte sich verändert. Eigentlich begann es mit dem Jahr 1984, als uns das erste Mal ein utopisches, symbolträchtiges Datum einholte. Und eigentlich hatte sich nichts wesentliches geändert. Der Computer war erfunden, das Fernsehen gewann an Bedeutung, über Helmut "Birne" Kohl machte man sich noch lustig.
Und nun holt uns das zweite magische Datum ein: 2001 - Odyssee im Weltraum, einer der großen Filme des letzten Jahrtausends - Stanley Kubricks Meisterwerk von 1968. Wir schauen in den Himmel, suchen eine Raumstation, die sich im Walzertakt dreht, und erkennen: Ferne, kleine, leuchtende Punkte. Die Raumfahrt als Utopie hat sich überlebt, und auch der Gedanke an Außerirdische verblaßt ein wenig. Eigentlich hatte man ja beim letzten Milleniumswechsel, wenn schon keine Apokalypse durch einen Computerabsturz passiert, mit wenigstens einer klitzekleinen außerirdischen Botschaft gerechnet; aber das All blieb stumm.
Und die Träume der Science Fiction von ewigen Raumfahrten - ab und zu ein Space Shuttle, eine Sonde auf dem Mars, das wars. Auf dem Mars gabs Wasser und damit Leben. Na und? Wenn sich die Säcke da oben nicht mal melden, sind sie uns schnuppe. Engel liegen da schon wesentlich mehr im Trend. Die Reise findet einfach woanders statt, in der Lektüre des DNA-Codes, in den Nanorobotern, Quanten-Teleportation (ja, das altbekannte Beamen wird wohl tatsächlich Wirklichkeit; meint zumindest der Quantenphysiker Anton Zeilinger). Wer braucht da schon "Außerirdische", wir haben ja schon Schwierigkeiten, mit ein paar "Ausländern" klarzukommen.
Die wahren und neuen homerischen Abenteuer sind die des (Cy-)Klonens und der Cyberorganik, die herrlich unbekannte verwandte Wesen schaffen, die uns sexuell und politisch der "neuen Welt" viel näher bringen als irgendwelche grünen Männchen. Zugleich gewinnt die Ethik des Jugendlichen immer mehr an Drive. Es ist paradox: Eine immer älter werdende Gesellschaft wird immer jugendlicher. Oma und Opa sind wieder auf Tretrollern unterwegs, und schwächelnde Organe werden einfach bionisch geupdated. Die Technik hält in unser Biobetriebssystem Einzug, und damit immer neue, verbesserte Updates. "Ich hab mir für meine ear-amplifier die Version 2.5ß gedownloadet: Jetzt kann man die Entfernung der wahrnehmbaren noises stufenlos fokussieren. Leider ist sie noch ziemlich buggi und schmiert gerne ab." "Tja, eben Microsoft." "Was hast Du gesagt? Ich muß kurz resetten".
Und noch etwas hat sich verändert: Die Technik wird "wearable", sie begleitet uns. In Form von PDAs, Handys, MP3-Playern und Subnotebooks. Und wahrscheinlich werden wir schon dieses Jahr erste Geräte haben, die treue Gefährten sind, mit denen wir weltweit jederzeit kommunizieren und uns informieren können. Es wird immer mehr Bilder auf immer weniger Fläche geben. Das, was wir jetzt an sichtbarem Gerät bedienen oder mit uns herumschleppen, ist noch relativ primitiv. Die CD war ein erster Schritt, um das sichtbare Sinnliche auf "raumlose" Bits und Bytes zu reduzieren. Napster und andere Internet-start-ups bieten digitale Waren an, die von jeglicher "Anfaßbarkeit" befreit sind. Sicher, solange der Mensch aus Materie besteht wird er auf Materie zurückgreifen wollen. Nur, wie lange wird der Mensch noch identifizierbare Materie sein? Ist das die Reise, die wir unternommen haben? Eine Reise ins körperlose und in die Bedeutungen von selbsterschaffenen "Betriebssystemen"? Werden wir uns jeden Morgen neu booten, nachts in den suspend-Modus schalten und uns tagsüber mit Arbeitgebern und Freunden synchronisieren?
2001 träumte von einem Computer, HAL (=IBM), mit übermenschlichen Fähigkeiten der Angst vor dem "abschalten" hat und "Hänschen Klein" singt. Letztlich wirkt das so rührend, weil wir ahnen, dass es genau umgekehrt sein wird, dass der Mensch "computerisch" wird. HAL war kein Computer, sondern ein Mensch, der mit Schaltkreisen versehen durch das Abschalten der ihn erweiternden Elektronik wieder zum Menschen-Kind wird. Die "Armen", die sich den cyborgischen Umbau nicht leisten können, werden alternde Körper, eine eingeschränkte Wahrnehmung, lückenhafte Erinnerungen, nur die eigene Stimme im Kopf und schmutzigen Sex haben. Vielleicht gar nicht so schlecht.
Die Odyssee hat begonnen, und bis uns der Farbrausch ereilt, nach dem wir uns wie in den großen Spiegeln am Schluß des Films selbst erstaunt betrachten und kaum zu erkennen vermögen - wird wieder alles viel undramatischer und schleichender sein, als wir es uns je vorstellen könnten.